Das Moor: Aschenputtel unter den Ökosystemen
Bei Mooren denken viele als erstes an eine lebensfeindliche Umgebung mit „Herr der Ringe“-Atmosphäre: Nebelschwaden, Moorleichen und fiese Irrlichter, die einen ins Verderben stürzen wollen. Doch sie haben weit mehr zu bieten als nur mystische Stimmung und Gänsehaut. Es sind faszinierende Ökosysteme, die für das Klima ähnlich wichtig sind wie tropische Regenwälder.
Mit der Begeisterung für Moore konnte mich meine Dozentin anstecken – und zwar so sehr, dass ich mich sogar in meiner Masterarbeit mit ihnen beschäftigte. Im Englischen heißen sie peatlands und irgendwie finde ich diesen Begriff viel wohlklingender. Daher musste ich tatsächlich auch erst kurz überlegen, wie ich meine Faszination nun am besten ins Deutsche übersetze.
Während meiner Arbeit lernte ich nicht nur einiges über diese geheimnisvollen Ökosysteme, sondern mir wurde auch bewusst, dass viele Menschen gar nicht genau wissen, was Moore überhaupt sind und wie wichtig sie für das Leben auf der Erde sind. Höchste Zeit, dass ich mich diesem Thema auch hier mit ein paar Zeilen widme.
Moore protzen nicht mit ihrer Anwesenheit, sie wirken unaufdringlich und manch‘ oberflächliche Zunge würde sie sogar als trostlos und eintönig beschreiben. So würde ich das nicht formulieren. Dennoch, die mystische und etwas verborgene Schönheit der Moorlandschaften benötigt eventuell einen zweiten Blick. Hat man diese erst einmal erkannt, zieht sie einen in ihren Bann.
Moore sind Feuchtgebiete.
Nein, das hat nichts mit dem heiß umstrittenen Roman von Charlotte Roche zu tun. Obwohl man tatsächlich keine anderen Treffer landet, wenn man diesen Begriff in der Mehrzahl bei Google eingibt. Erstaunlich. Ich verwende daher besser den Begriff Feuchtbiotope. Das bedeutet, bei Mooren handelt es sich um Landregionen, die sehr nass sind und einen hohen Wasserspiegel besitzen. Sie weisen daher nicht nur terrestrische Lebensräume auf, sondern auch aquatische und sind dadurch äußerst vielfältige Ökosysteme. Allerdings sind nicht alle Feuchtbiotope gleichzeitig Moore.
Auf den ersten Blick könnte man Torf mit der herkömmlichen Erde, die man auch im eigenen Garten findet, verwechseln. Die Zusammensetzung und chemischen Eigenschaften sind jedoch komplett anders. Torfbildung ist nur unter permanenter Wassersättigung und einer hohen Produktion von Pflanzenmaterial, die höher sein muss als deren Zersetzung, möglich. Moore weisen im gesunden Zustand immer einen hohen Wasserstand auf, der mindestens nahe der Oberfläche liegt. Die Lebensbedingungen sind entsprechend hart, da die ständige Nässe dazu führt, dass der Torfboden ziemlich sauer und nährstoffarm ist.(1) Daher ist es tatsächlich gar nicht mal so falsch, Moore als lebensfeindlich zu bezeichnen..
Abbildung 1: Niedermoor in Irland (Quelle: Florence Renou-Wilson)
Moore gibt es fast überall auf der Welt.
Ein Blick auf die Karte unten zeigt, dass Moore weltweit verbreitet sind und fast in jedem Land vorkommen. Da jedoch bestimmte Klimabedingungen für die Torfbildung nötig sind, findet man sie vor allem in tropischen, borealen und subarktischen Zonen, wie zum Beispiel Kanada, Skandinavien oder Indonesien. Auch in Irland oder dem Vereinigten Königreich sind sie sehr weit verbreitet. Wer schon einmal eines dieser Länder besucht hat, ist wahrscheinlich auch dem einen oder anderen Moor begegnet, wenn auch vielleicht unbewusst. Allerdings musst du nicht extra ins Ausland reisen um Moore zu bestaunen, denn es gibt sie auch hier bei uns. Zu den bekannten Moorlandschaften in Deutschland zählt beispielsweise das Teufelsmoor in Norddeutschland oder das Hochmoor Wurzacher Ried im Süden.
Durch die weite geographische Verbreitung zeichnen sich Moorlandschaften durch eine enorme Vielfalt aus. Moore in Skandinavien unterscheiden sich beispielsweise stark von den tropischen Moorsümpfen in Indonesien. Dennoch haben sie alle die Eigenschaft der Torfbildung gemeinsam.
Abbildung 2: Globale Verbreitung von Moorlandschaften (Quelle: Riccardo Pravettoni, UNEP/GRID-Arendal)
Moore sind essentiell für Klima und Biodiversität
Moore leisten einen erstaunlichen Beitrag zum globalen Gleichgewicht.
Sie sind unterschätzte Meister der Klimaregulation.
Moore speichern den Kohlenstoff abgestorbener Pflanzen im Torf, sodass dieser nicht mit Sauerstoff reagieren kann und folglich kein CO2 gebildet wird. Unterm Strich entziehen Moore daher der Atmosphäre CO2 (über die Pflanzen), speichern es im Boden und wirken dadurch der Erderwärmung entgegen.
Globale Bedeutung für die Erhaltung der Biodiversität.
Es handelt sich zudem um ausgesprochen heterogene Ökosysteme mit einer Vielzahl an Mikrohabitaten, wodurch sie eine einzigartige und hochspezialisierte Flora und Fauna aufweisen. Durch die rauen Bedingungen ist die Biodiversität in der Regel geringer im Vergleich zu anderen Ökosystemen in der gleichen biographischen Region. Dafür weisen Moore jedoch sehr seltene und bedrohte Tier- und Pflanzenarten auf, welche speziell an die dauerhaft feuchte Umgebung angepasst sind – sogenannte Spezialisten. Moore bieten insbesondere perfekte Bedingungen für Moose und Lebermoose und spielen eine zentrale Rolle in der Erhaltung der Diversität dieser Urpflanzen (1).
In dem Dokumentarfilm ‚Magie der Moore‘ macht Jan Haft auf die Schönheit und Einzigartigkeit der Moore in Deutschland aufmerksam. Eine sehr gute Übersicht über die Bedeutung der Moore insbesondere bezüglich Klima und Biodiversität bietet dieser englische Kurzfilm.
Moore sind in Gefahr.
Die Wechselwirkungen zwischen Wasser, Vegetation und Torf ist in Mooren enorm, wodurch diese Ökosysteme extrem empfindlich auf Veränderungen reagieren. Wird eine dieser Komponenten gestört, und sei es nur minimal, wird das natürliche Gleichgewicht des gesamten Systems unterbrochen und bewirkt eine fatale Kettenreaktion, die früher oder später auch die anderen Komponenten beeinflussen wird (1).
Der Mensch hat einen gravierenden Einfluss auf den Zustand der Moore.
Moore werden für land- und forstwirtschaftliche Zwecke entwässert, sie dienen der Viehhaltung zum Grasen und in manchen Ländern wird Torf zusätzlich ausgestochen und als Brennmaterial verwendet. Hinzu kommen noch Landrodungen, urbane Entwicklungen oder Umweltverschmutzung. All diese Prozesse stören das natürliche Gleichgewicht der Moore, was in den meisten Fällen in einem immensen Wasserverlust und damit Austrocknen resultiert.
Ein Moor ohne Wasser ist wie eine Wald ohne Bäume.
Der Wasserverlust führt dazu, dass die natürlichen Funktionen des Ökosystems zerstört oder zumindest stark beeinträchtigt werden – mit globalen Konsequenzen. Wenn ein Moor austrocknet, können Mikroorganismen die tote Pflanzenmasse schneller zersetzen. Als Resultat wird der Kohlenstoff, der zuvor im Torf festgehalten wurde, als CO2 freigesetzt. Das trägt deutlich zum Klimawandel bei. Außerdem haben menschliche Aktivitäten dramatische Auswirkungen auf die natürliche Biodiversität. Die angepassten Moor-Spezialisten können der Konkurrenz, die unter den neuen Bedingungen plötzlich zum Vorschein kommt, nicht mehr standhalten und verlieren ihren Lebensraum.
In tropischen Regionen werden Torfsümpfe entwässert und gerodet um Nutzpflanzen wie Ölpalmen oder Kautschukbäume anzubauen.
Jeder Quadratkilometer kommt einer Umweltkatastrophe gleich. Und zwar nicht nur in Anbetracht der globalen Klima-Auswirkungen oder der vom Aussterben bedrohten Tierarten, sondern auch, weil das kohlenstoffreiche Torf im trockenen Zustand brennt wie Zunder. Daher wüten in diesen Regionen regelmäßig schwer kontrollierbare Brände, welche die Problematik weiter verschärfen – für die Umwelt und die Menschen vor Ort.
Dieses Video bietet eine sehr gute Zusammenfassung über die Situation der Moore in Indonesien
Laut dem Millennium Ecosystem Assessment „findet die Zerstörung und der Verlust von Feuchtbiotopen (inklusive Moore) schneller statt, als bei jedem anderen Ökosystem” (2). In Deutschland sind nur noch rund fünf Prozent der ursprünglichen Moore in ihrem natürlichen Zustand zu finden.
Die weltweite Situation ist äußerst heikel.
Aber es besteht Hoffnung.
Die Welt hat erkannt, dass eine Zerstörung der Moore globale Konsequenzen hat, die auch direkt uns Menschen betreffen. Daher werden Schutz und Restaurierung dieser Ökosysteme immer wichtiger. Neben zahlreichen nationalen und regionalen Schutzprojekten, gibt es auch einige internationale umweltpolitische Abkommen, die unter anderem konkret Moorlandschaften berücksichtigen, beispielsweise die UN Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) oder das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD). Diese verpflichten die Mitgliedstaaten entsprechende Maßnahmen zu treffen um den Schutz der Moore zu gewährleisten.
Dennoch, es ist keine einfache Aufgabe und es bedarf mehr als die Aufmerksamkeit der Regierungen. Es benötigt ebenso unsere Aufmerksamkeit. Wir müssen beginnen den wahren Wert der Moore schätzen zu lernen und verstehen, weshalb sie so gefährdet sind. Wenn wir das tun, kann jeder von uns im kleinen Rahmen etwas zum Schutz dieser atemberaubenden Ökosysteme beitragen. Indem wir die Aufmerksamkeit schärfen, bewusster leben und uns gezielt gegen Produkte entscheiden, die die Zerstörung der Moore antreibt.
Foto: Florence Renou-Wilson (das Foto zeigt ein Niedermoor in Irland)
Weitere Quellen:
- Parish, F., A. Sirin, D. Charman, H. Joosten, T. Minayeva, M. Silvius, and L. Stringer. 2008. Assessment on Peatlands, Biodiversity and Climate Change: Main Report., 215 pp.
-
Millennium Ecosystem Assessment. 2005. Ecosystems and Human Wellbeing: Biodiversity Synthesis. Washington, DC: Island Press.