(Re)agieren nicht resignieren
Obwohl viele von uns unsere derzeitige Lebensweise als problematisch ansehen, schaffen wir es oft nicht etwas daran zu ändern. Ich glaube der Grund dafür liegt in einer Art Selbstschutz. Wir haben ein unglaubliches Talent extrem kritisch gegenüber der Außenwelt zu sein, und extrem unkritisch gegenüber unserem eigenen Verhalten. Wir nutzen sogar die Fehler der Außenwelt um unser eigenes „nicht-handeln“ zu rechtfertigen. Aussagen wie “was bringt es denn, wenn ich weniger Auto fahre, wenn die Amis mit ihren Riesenschlitten sowieso haufenweise CO2 in die Luft pumpen?” Oder noch viel schöner finde ich: “warum sollte ich meinen Müll trennen, wenn die in den Anlagen sowieso alles zusammenschmeißen?”
Häufig basieren solche Einstellungen auf hören-sagen oder Einzelfällen, die bei uns hängen bleiben, weil sie einfach, ach so praktisch, logische erscheinende Erklärungen für unser Verhalten formen. Man kann zeigen, dass man das nicht einfach so macht, sondern dass man darüber nachgedacht, und sich bewusst entschieden hat entsprechend zu handeln.
Ja, es mag sein, dass es Berichte gab über Müllverarbeitungsanlagen, in denen unser feinsäuberlich getrennter Verpackungsmüll einfach mit dem Restmüll zusammen in der Verbrennungsanlage oder auf der Müllkippe gelandet ist. Ich wäre die Letzte zu behaupten, dass man Regierungen, Konzernen und angehängten Institutionen in Umweltfragen blind Glauben schenken sollte. Aber: die Lösung zu solchen Problemen heißt nicht dann einfach keinen Müll zu trennen. Das ist ein Trugschluss und nichts weiter als Resignation, Kapitulation vor einem System, von dem man glaubt man könne es nicht ändern.
Die richtige Reaktion auf solche Berichte wäre sich zu fragen, ob das bei seiner eigenen lokalen Müllverarbeitung auch der Fall ist. Und wenn dem so ist, sollte man doch erst recht seinen Müll wie verrückt trennen um zu zeigen, dass es einem nicht egal ist, was damit geschieht. Man sollte zu den lokalen Verantwortlichen gehen, ihnen sprichwörtlich (alles andere wäre zwar vielleicht sehr befriedigend, aber ziemlich eklig und vermutlich nicht zielführend) seinen penibel sortierten Müll vor die Füße werfen, und verlangen, dass dieser nun auch sachgemäß verarbeitet wird! Wem das zu heftig ist, der kann es vielleicht mit einem offenen Brief, Leserbriefen, einer Online Petition, etc. etc. versuchen. Entscheidend ist, dass man es nicht einfach stillschweigend hinnimmt, oder gar das eigene Verhalten verschlechtert, weil sich andere daneben benehmen.
Oder nehmen wir ein anderes, vielleicht für viele machbareres, Beispiel: wir haben ja bereits über die frustrierende„Plastikhölle Supermarkt“ geschrieben. Immer wenn ich bei Kaufland einkaufen gehe, sehe ich wie alle ihr Gemüse brav in diese tollen Plastiktüten einpacken um es zu den Waagen zu tragen und abzuwiegen. Wie viel Plastik könnte dieser Supermarkt sparen, wenn sie einfach an der Kasse abwiegen würden, wie es Rewe und co. schließlich auch tun, und den Leuten empfehlen Obst und Gemüse, das nicht so empfindlich ist lose aufs Band zu legen. Für empfindlichere Waren wären Papiertüten aus Recyclingpapier immer noch besser als die Massen von Plastiktüten – vieles lässt sich darin auch sehr viel besser lagern und frisch halten. Wenn wir aber alle weiter brav zu den Plastiktüten greifen, wird Kaufland nicht merken, dass ihr System nicht ideal ist.
Wie wäre es also, wenn wir anfangen Obst und Gemüse lose abzuwiegen, und das Zettelchen (das beim Abwiegen an der Kasse noch zusätzlich eingesparter Abfall wäre) auf eines der Teile kleben würde. Plötzlich wäre deutlich weniger Plastik auf dem Band, und den Kassierern würde garantiert auffallen, dass sie nun ständig lose Äpfel und Birnen über ihre Kasse schieben. Eine andere Variante wäre, eigene Tüten und Beutel mitzunehmen und diese wieder und wieder zu verwenden. Auch das fällt auf und kann eventuell ein Umdenken beim Management anstoßen.
So etwas hat in der Vergangenheit schon funktioniert: Eine Filiale des Ladens hatte es zum Beispiel plötzlich eingeführt, dass man, wenn man ein Produkt in größeren Mengen kauft, trotzdem jedes einzelne Teil auf das Band legen muss. Meine Mutter, und vermutlich viele andere, haben dies aus Prinzip trotzdem nie von alleine getan und sich immer wieder dazu auffordern lassen. Inzwischen ist diese Regel wieder abgeschafft worden und man kann wieder 6 Pakete Milch kaufen, muss aber nur eins auf das Band legen. Ich bin mir sicher, dass ein ähnlich kontinuierlicher stiller (oder gerne auch lauter) Protest auch bei der Gemüse-Plastikverschwendung Erfolg haben würde. Die effektivste Variante ist allerdings auch hier wahrscheinlich die direkte Konfrontation.
Supermärkte sind meist offen für die Wünsche ihrer Kunden, schließlich gibt es viel Konkurrenz und Kundschaft gilt es zu halten. Kaufland in diesem Beispiel ist, was die Kundenfreundlichkeit angeht, meiner Erfahrung nach sehr hoch im Kurs – nicht umsonst wird jedes Mal gefragt, ob man denn alles was man gesucht hat auch bekommen hat. Und meist ist das, was man dort erwähnt beim nächsten Mal auch tatsächlich vorrätig (der Sinn davon immer alles ständig und überall vorrätig haben zu müssen ist wieder ein anderes Thema). Wenn man nun einfach regelmäßig an der Info fragt, ob sie vielleicht einen Vorschlag hätten, wie man beim Obst und Gemüse Einkauf in ihrem Laden Müll einsparen könne, ist auch dies etwas, das auffällt. Oder man kontaktiert das Management, führt auf, wo das Problem liegt, und welche Lösung man sehr begrüßen würde. Auf diese Weise kann man übrigens auch Läden dazu bringen z.B. regionale Milch in Glasflaschen zu führen, oder Joghurt in 1 Liter Bechern zu verkaufen.
All dies sind Lösungsansätze und es gibt unter Garantie noch sehr viel mehr Möglichkeiten diese Probleme anzuprangern und letztendlich zu lösen. Was wichtig ist, ist dass wir, wenn wir ein solches Problem sehen, nicht überlegen wie wir es nutzen können um unsere eigene Bequemlichkeit zu rechtfertigen, sondern wie wir, egal ob im Kleinen oder im Großen, etwas dagegen tun können. Nicht jeder muss mit jedem Problem direkt in den Bundestag oder zu Stadtverwaltung marschieren, aber wir sollten verstehen: Widerstand, sei er auch noch so klein, wird bemerkt. Denn: Niemand mag unzufriedene Kunden, Anwohner und Wähler – denn diese bedeuten Verluste. Die Hauptstrategie ist allerdings meist uns zunächst einmal von den Problemen abzulenken anstatt sie zu lösen.
Wenn wir uns jedoch nicht ablenken lassen, bleibt Handel und Politik nichts anderes übrig als etwas dagegen zu tun, oder uns zu verlieren. Sie haben keine andere Wahl – wir hingegen schon! Wir müssen nur die Richtige treffen.