Veganer Strom – mehr als einfach nur grüne Energie?
Ökostrom wird aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen und ist nachhaltiger als jener aus Kohle- oder Atomkraftwerken. Veganer Strom geht noch einen Schritt weiter. Er berücksichtigt verstärkt den Schutz natürlicher Lebensräume und der Tierwelt. Aber ab wann ist Energie vegan? Die Grenzen sind schwer zu setzen, denn eine einheitliche Definition gibt es bisher nicht. Für den Anbieter Vegawatt ist jedoch klar: Biogas aus Zuckerrübenschnitzel und Strom aus Sonnenkraft ist die veganste Energieform.
Als wir vor Kurzem gefragt wurden, ob wir nicht mal einen Artikel zum Thema veganer Strom schreiben könnten, musste ich mir meine eigene Unwissenheit eingestehen. Denn davon hatte ich bisher noch gar nichts gehört. Kann Strom denn überhaupt nicht vegan sein?
Meine Bildungslücke war für mich Grund genug, der Anfrage nachzugehen und mich näher mit dem Thema „vegane Energie“ zu beschäftigen. Ich selbst beziehe Bürgerstrom der Energiegenossenschaft Leipzig. Der ist zwar Öko, als vegan wird er jedoch nicht angepriesen.
Was genau ist der Unterschied? Und was macht Energie vegan bzw. nicht vegan?
Ab wann wird Ökostrom vegan?
Um Licht ins Dunkle zu bringen und unsere Elektrogeräte nutzen zu können, benötigen wir Energie. Die kommt natürlich nicht durch Zauberei in unsere Steckdosen. Konventionelle Quellen zu Energiegewinnung sind Kohle oder Atomkraft. Beide sind, um es kurz und knapp auf den Punkt zu bringen, ziemlicher Mist und schaden der Umwelt enorm.
Glücklicherweise gibt es mittlerweile Ökostrom und Biogas aus erneuerbaren Energien bzw. nachwachsenden Rohstoffen: Wind, Wasser, Sonne und Biomasse. Diese Arten der Energieerzeugung sind ökologischer und nachhaltiger – man spricht auch von grüner Energie. Dennoch sind auch diese Alternativen nicht völlig frei von Nachteilen. Beispielsweise gibt der damit verbundene Eingriff in Ökosysteme, der eine Gefahr für die Tier- und Pflanzenwelt darstellt, Anlass zur Kritik. Zudem schleicht sich bei der Biogas-Produktion auch hin und wieder tierische Biomasse aus Massentierhaltung mit hinein. Vegan ist das nicht.
Vegane Energie geht deswegen noch einen Schritt weiter. Sie setzt auf Methoden der erneuerbaren Energiegewinnung, welche gleichzeitig die Auswirkungen auf natürliche Lebensräume so gering wie möglich halten.
Zudem gilt sie als absolut frei von tierischen Rohstoffen. Vegane Energie trägt somit nicht nur zum Klimaschutz, sondern auch zum Schutz der natürlichen Artenvielfalt bei und fördert weder den Anbau von Monokulturen noch Massentierhaltung.
Woher bekommt man vegane Energie?
Ökostromanbieter gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Nicht viele davon bieten jedoch explizit veganen Strom an. Einer der wenigen ist Vegawatt, eine junge Marke der TWL Energie Deutschland GmbH aus Ludwigshafen. Hier wird Biogas aus Zuckerrübenschnitzel produziert und Strom ausschließlich über Solarenergie aus Europa gewonnen. Warum diese beiden Methoden besonders vegan und nachhaltig zu sein scheinen, wird weiter unten erläutert.
Ein weiterer Energieanbieter, der sich selbst als vegan bezeichnen, ist Polarstern. Da „vegane Energie“ bzw. „veganer Strom“ jedoch keine geschützten Begriffe sind, weichen die Energiequellen der Anbieter voneinander ab. Wann 0815-Ökostrom aufhört und veganer Strom anfängt, ist eben teils auch eine subjektive Empfindung. So schwört Polarstern auf Ökostrom aus einer renaturierten Wasserkraftanlage mit Fischtreppen.
Veganer Strom aus Solarenergie
Für den Anbieter Vegawatt steht fest: Sonnenkraft ist die nachhaltigste und veganste Methode um Strom zu erzeugen. Die Gründe:
- Solarenergie ist quasi unbegrenzt verfügbar
- Photovoltaik-Anlagen lassen sich dezentral einsetzen
- Die Errichtung der Anlagen gefährdet keine Lebensräume und schützt die heimische Tierwelt
- Es gibt keinen Vogelschlag oder Fischverlust (im Gegensatz zu Windrädern und Wasserkraftwerken)
- Voraussetzung: der Standort der Anlagen muss in Europa sein, aufgrund schärferer Umweltschutz-Richtlinien als in nicht EU-Ländern
Was hierbei jedoch nicht berücksichtigt wird ist, dass die Herstellung der Photovoltaik-Anlagen nicht so sauber ist wie ihr Endprodukt. Beispielsweise ist man bei der Produktion der Zellen auf Metalle der seltenen Erden angewiesen. Der Abbau dieser Metalle erfolgt überwiegend in China mithilfe von Säuren und unter Bedingungen die weder Mensch noch Umwelt gut tun. Auf der anderen Seite ist die Errichtung von Wind- und Wasserkraftwerken in der Tat mit teils starken Beeinträchtigungen von Ökosystemen und damit einer Gefährdung der Tierwelt verbunden.
Kompromisse sind eben auch Teil des Fortschritts…
Biogas aus Zuckerrübenschnitzeln
Viele Öko-Energie Anbieter setzen auf Biogas, welches durch Vergärung von Biomasse entsteht. Es wird also Energie aus nachwachsenden energiereichen Rohstoffen hergestellt – hierzulande häufig Mais. Das klingt erstmal sehr grün und löblich, jedoch wird für den Anbau der Biomasse extra landwirtschaftliche Fläche benötigt. Die Monokulturen entziehen den Böden jegliche Nährstoffe, was negative Folgen für Biodiversität mit sich bringt.
Um diese zusätzliche Verschwendung von Fläche zu umgehen, setzen vegane Energieanbieter wie Vegawatt und Polarstern auf Biogas aus Zuckerrübenschnitzel.
Dabei handelt es sich nicht um eine vegane Fleischalternative, sondern um ein Abfallprodukt aus der Zuckerproduktion. Zuckerrüben werden in unseren Breitengraden zur Zuckergewinnung verwendet. Die dicken Rüben werden dafür zunächst in dünne Schnitzel geschnitten, um den Zucker anschließend in heißem Wasser extrahieren zu können. Die Überreste der ausgekochten Rübe werden von der Zuckerindustrie nicht mehr benötigt. Zum Wegwerfen sind sie jedoch viel zu schade, da dort noch jede Menge Energie drinsteckt! Die Gemüsereste bieten also eine optimale Grundlage zur Biogasproduktion.
Da es sich um ein Abfallprodukt handelt, wird keine zusätzliche Anbaufläche benötigt. Auf diese Weise werden kostbare Lebensräume geschont und die Tier- und Pflanzenwelt geschützt. Um 100% vegan zu sein, muss bei der Biogasproduktion allerdings garantiert werden, dass keine tierische Biomasse mit eingeschleust wird.
Fazit – veganer Strom mehr als nur Tierschutz!
Ich komme zu dem Schluss, dass vegane Energie also erneuerbare Energie plus verstärkte Rücksichtnahme auf Lebensräume und Tierwelt bedeutet. Es ist quasi Ökostrom mit einem zusätzlichen Quäntchen Achtsamkeit, basierend auf dem Abwägen von Vor- und Nachteilen verschiedener regenerativer Energiequellen. Das ist wichtig, denn die eierlegende Wollmilchsau gibt es eben auch in Sachen Energie (noch) nicht. Um überhaupt voran zu kommen, müssen daher Kompromisse eingegangen werden – und je kleiner diese Kompromisse sind, desto besser!