Alleine reisen – warum es mir gut tut
Es gibt eigentlich zwei Hauptgründe: die Freiheit und die Gespräche. Versteht mich nicht falsch, ich reise auch sehr gerne mit anderen. Nur mit bestimmten Anderen allerdings – es funktioniert nicht mit jedem. Trotzdem hat alleine reisen seine eigenen Vorteile.
Die Freiheit
Am offensichtlichsten ist wahrscheinlich der erste Grund: Alleine reisen gibt einem sehr viel Freiheit. Für mich führt diese Freiheit zur totalen Entspannung. Die Entspannung entsteht, weil ich keine Pläne machen muss. Ich habe meistens zwar eine grobe Idee was ich mit meinem Tag anfangen möchte, aber dann läuft mir irgendwas Interessantes über den Weg und ich mache stattdessen etwas ganz anderes – und das ist vollkommen okay!
Es ist interessant und inspirierend, was für Dinge man entdeckt, wenn man einfach der Nase nach geht und durch eine Gegend spaziert, die man nicht kennt. Das ist schwieriger, wenn man mit anderen zusammen reist. Auch wenn man sich vielleicht schnell einig wird, fühlt sich der Moment alleine durch die Diskussion und Einigung anders an. Außerdem nimmt einem das alleine Reisen den selbstauferlegten Druck ab, dafür zu sorgen, dass es dem anderen gefällt.
Wenn man alleine ist, muss man sich nicht schuldig fühlen, wenn etwas am Ende nicht so eine gute Idee war. Ich weiß, dass diejenigen mit denen ich sonst gemeinsam reise, mir an dieser Stelle gerne sagen würden, dass ich mich auch nicht schuldig fühlen muss, wenn sie dabei sind. Dennoch tue ich es. Deswegen ist es so entspannend, dieses Gefühl einfach mal für ein paar Tage abschalten zu können und für niemanden außer sich selbst verantwortlich zu sein.
Die Gespräche
Alleine-Reisende scheinen eine Art Radar für andere einsame Wanderer zu haben – also trifft und unterhält man sich. Und was daran so toll ist, ist dass man keinerlei vorheriges Wissen über einander hat. Man hat (idealerweise) keine Vorurteile oder Vorstellung wie diese Person ist, und was man von ihr zu erwarten hat. Das ist natürlich jedes Mal wenn man jemanden Neues kennen lernt der Fall. Aber im Alltag handelt es sich dabei meist eher um neue Kollegen oder eine neue Nachbarin.. Das sorgt dafür, dass das Treffen mit einem gewissen Druck einhergeht – man sollte sich verstehen, schließlich muss man für längere Zeit miteinander klar kommen.
Diesen Druck hat man nicht, wenn man reist. Man trifft jemanden, man unterhält sich, und wann immer einem danach ist, geht man wieder getrennte Wege. Dadurch werden die Gespräche sehr viel freier und entspannter. Man hat das Gefühl die echten Menschen kennenzulernen, nicht irgendeine gefilterte Version von ihnen. Ob das stimmt, wird man aber nie wissen, weil man sich im Allgemeinen nicht wiedersieht.
Wenn man mit einem Freund oder Partner reist ist es nicht nur schwieriger andere kennenzulernen, die Gespräche sind auch weniger entspannt und frei, da jemand dabei ist, der vorheriges Wissen über einen hat. Dieses Gefühl, sich nicht an die soziale Konstruktion von einem selbst halten zu müssen, erinnert mich an das, was viele auf Festivals erleben. Festivals sind ein Ort, an dem sich die Wahrnehmung von dem was Normal ist verändert. Auf einem Festival – weit weg von der Realität, kann man verschiedene Versionen von sich selbst anprobieren, Versionen die im Alltag vielleicht untergehen, aber trotzdem ein Teil von einem sind.
Sich mit fremden Menschen an fremden Orten zu unterhalten, gibt einem eine ähnliche Gelegenheit. Meistens enden diese Begegnungen mit einem Kopf voller neuer Ideen, obwohl man nicht mal den Namen seines Gegenübers kennt. Manchmal entstehen aus ihnen aber auch lange Freundschaften, die durch die Art und Weise ihrer Entstehung stark sind.
Die Einsamkeit
Als zusätzlichen Grund ist die Einsamkeit selbst auch sehr bewusstseinserweiternd (ohne Drogen). Während man oft tolle Gespräche mit anderen Reisenden führt, verbringt man zwangsläufig auch viel Zeit schweigend. Einfach weil niemand da ist, mit dem man reden könnte. Die Stille in Kombination mit dem unbekannten Ort – weit weg von allem an dem sich die Gedanken normalerweise aufhängen – lässt auf irgendeine Weise den Gedanken einen freieren Lauf.
Ich habe das Gefühl, dass es gut tut, für eine Weile still zu sein. Sich dabei auch nicht mit einem Buch, Film oder dem Handy abzulenken. Es erlaubt dem Geist sich zu reinigen und den Reset-Knopf zu drücken. Nach einer solchen Reise habe ich das Gefühl wieder klarer denken zu können und mehr Inspiration und Kreativität zu haben – und ich bin mir fast sicher, dass diese Inspiration zu einem großen Teil durch das Schweigen an fremden Orten entsteht.
Alleine reisen ist vielleicht nicht für jeden etwas, aber für mich ist diese Kombination aus guten Gesprächen und stiller Inspiration die perfekte Möglichkeit mein introvertiertes Ich wieder aufzuladen und gleichzeitig den extrovertierten Teil von mir zufrieden zu stellen. Also, wenn du das Gefühl hast dich mal wieder aufladen zu müssen – trau dich es auszuprobieren!